Neue Organisationsformen: Unternehmen im Wandel
Die Digitalisierung schreitet voran und die Dynamik an den Märkten nimmt unaufhörlich zu. Nur mit neuen Organisationsformen werden Unternehmen in der Lage sein, trotz dieser Veränderungen wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Trend geht klar zu virtuellen Teams und interdisziplinärer Projektarbeit. Welche Herausforderungen sich hieraus für Management, Führungskräfte und Projektleiter ergeben, lesen Sie in diesem Beitrag.
Agilität und Flexibilität sind keine neuen Anforderungen
Im Jahr 2003 erschien das Buch „Neue Organisationsformen im Unternehmen“ (Springer, 2. Auflage). Der Untertitel lautete: „Ein Handbuch für das moderne Management“. Die Herausgeber und Organisationsexperten Hans-Jörg Bullinger und Hans-Jürgen Warnecke stellten bereits damals fest, dass Unternehmen ihre Organisation verändern müssen. Insbesondere hielten sie fest, dass Unternehmen mit folgenden Herausforderungen konfrontiert sind:
- Häufigere, schnellere und tiefgreifendere Veränderungen
- Komplexere und erhöhte Kooperationsanforderungen
- Veränderte und erhöhte Anforderungen an Wissen und Lernen
Ebenso vertraten die Spezialisten bereits seinerzeit die Auffassung, dass sich das Management mit folgenden Gestaltungsfeldern befassen muss:
- Abbau hierarchischer Strukturen
- Reduzierung abteilungsbezogener Schnittstellen
- Delegation von Verantwortung an eigenverantwortliche Mitarbeiter
- Organisation der zunehmenden kooperationsintensiven Arbeit (Projekte)
- Schaffung einer flexiblen, wandlungsfähigen Organisation
Wir halten also fest: Schon vor rund zwei Jahrzehnten war Hans-Jörg Bullinger und Hans-Jürgen Warnecke klar, wie die Organisationsform der Zukunft aussehen muss. Dass sie mit ihren Inhalten aus dem Springer-Handbuch Recht behalten sollten, ist heute unstrittig.
Mehr abteilungsübergreifende Teams erforderlich
Insbesondere etablierte Unternehmen haben auch heute noch eine klassische hierarchische Organisationsform. Diese ist geprägt von einer Linienorganisation mit klassischen Abteilungen, die jeweils von einer Führungskraft geleitet werden. Solche Strukturen sind jedoch zu starr, um weiterhin mit der rasanten Entwicklung der Unternehmensumwelt Schritt halten zu können. Vielmehr ist eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit von Teams erforderlich, um die notwendige Flexibilität und Schlagfertigkeit herzustellen. Abhängig von der Branche kann es daher erforderlich sein, einen großen Teil der anstehenden Aufgaben mithilfe von Projektarbeit zu erfüllen. Die Teams werden hierbei ständig neu gebildet und den aktuellen Anforderungen angepasst.
Abteilungen verschmelzen somit zu dynamischen Arbeitsgruppen, die interdisziplinär die aktuellen Linienaufgaben bearbeiten müssen. Doch wie gelingt es, diesen Prozess der Transformation erfolgreich zu vollziehen? Welchen Ansprüchen muss das moderne Management in puncto Führung genügen? Und wie wird sich das Rollenbild von Führungskräften und Projektleitern verändern?
Vernetzte Teams mit hoher Eigenverantwortung
Innovationsfähigkeit und Agilität entstehen nur dann, wenn die Mitarbeiter innerhalb einer Organisation mehr Autonomie und Verantwortung erhalten. Welche neuen Organisationsformen dazu passen, leben zahlreiche Start-ups vor. Sie arbeiten mit abteilungsübergreifenden Teams. Diese folgen zwar klaren Zielvorgaben, agieren aber mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung.
In dieser Art von Organisation müssen Manager und Führungskräfte einen neuen Führungsstil an den Tag legen. Der klassische Vorgesetzte – etwa ein Abteilungsleiter – wird zum Projektorganisator und „Team-Befähiger“. Traditionelle Aufgaben wie das Erteilen von Anweisungen und die Kontrolle der Mitarbeiter werden obsolet. Vielmehr versetzt das moderne Management seine Teams in die Lage, ihre Ziele eigenständig zu erreichen. Dies geschieht vordergründig durch Moderation und funktionsübergreifendes Coaching. Auch die Rolle der Projektleiter wird sich in diese Richtung verändern. Eine klare Trennlinie zwischen klassischen Führungskräften und Projektmanagern wird es in neuen Organisationsformen kaum noch geben. Vielmehr verschmelzen die beiden Positionen zu einer gänzlich neuen Funktion.
Führen im Rahmen der neuen Organisationsformen
Einst erfolgte das Führen von Mitarbeitern durch hierarchische Macht. Charakteristisch waren Aspekte wie strikte Vorgaben, Autorität, Misstrauen und Kontrolle. Zwischenzeitlich haben sich einige Manager zu Motivatoren, teils auch zu Manipulatoren weiterentwickelt. Doch auch dieser Führungsstil – das sogenannte Führen durch Beeinflussen – ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Das digitale Zeitalter erfordert das Führen durch Reputation. Was bedeutet das?
Wegen der enormen Dynamik benötigen Unternehmen und ihre Mitarbeiter eine höhere geistige Flexibilität. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach Harmonie und positiven zwischenmenschlichen Erlebnissen. Somit muss das moderne Management sowohl den Kopf als auch das Herz der Mitarbeitenden ansprechen. Zudem muss die Führungskraft der Zukunft nicht sämtliche Lösungen für Probleme kennen. Vielmehr hat sie die Verantwortung, den Prozess der Lösungsfindung optimal zu organisieren. Wirkliches Interesse an dem Thema und das Stellen der richtigen Fragen sind in diesem Kontext die relevanten Kompetenzen.
Ebenso zeichnen sich moderne Organisationen durch Führungskräfte aus, die nicht auf Mikromanagement und Kontrolle setzen, sondern eine Vertrauenskultur (vor-)leben. Integrität und Ehrlichkeit rücken in den Fokus, während die reine Soll-Erfüllung an Bedeutung verliert. Es entsteht eine neue Form der Arbeit, in der sich Teammitglieder tatsächlich verwirklichen können, gefordert werden und Spaß haben.
In dieser neuen Welt der Arbeit wird außerdem die persönliche Weiterentwicklung zur Selbstverständlichkeit. Die Mitarbeiter sind hierdurch in der Lage, flexibel neue Rollen und Aufgaben in der Organisation zu übernehmen. Motivation kommt fortan von innen und wird nicht durch äußerlichen Druck künstlich erzeugt. Nicht zuletzt ist solch eine Kultur die ideale Ausgangslage für Innovationen.
Weitere Herausforderung: Das Führen von virtuellen Teams
Neben neuen Organisationsformen hält das digitale Zeitalter eine weitere Herausforderung für Unternehmen bereit: die Arbeit in virtuellen Teams. Um Missverständnissen vorzubeugen: Mit „virtuellen Teams“ sind nicht etwa künstliche oder gar softwarebasierte Gebilde gemeint. Es geht um Arbeitsgruppen, die als Organisationsform folgende Charakteristika aufweisen:
- Teammitglieder befinden sich an unterschiedlichen Orten
- Team wird meist zeitlich befristet aufgestellt (manchmal auch dauerhaft)
- Team arbeitet an gemeinsamen Zielen
- Die Zusammenarbeit erfolgt über regionale und/oder Organisationsgrenzen hinweg
- Die Kommunikation erfolgt im Regelfall mediengestützt
Durch die Corona-Krise hat die Anzahl von virtuellen Arbeitsgruppen massiv zugenommen. Doch auch unabhängig davon ist davon auszugehen, dass ortsunabhängiges Arbeiten und Kollaboration auf Distanz in Zukunft Standard sein werden. Die Organisation und Führung virtueller Teams geht allerdings mit einigen Herausforderungen einher.
Erfolgsfaktoren im Management von virtuellen Teams
Mit den oben skizzierten, neuen Führungs- und Organisationsformen ist der Grundstein für die Funktionsfähigkeit von virtuellen Teams bereits gelegt. Immerhin erfordern dezentrale Strukturen ein ausgeprägtes Vertrauen zwischen Führungskraft und den Teammitgliedern. Dennoch gestaltet sich das „Führen auf Distanz“ anders als die Führung vor Ort.
Im Vordergrund steht eine gute Kommunikation. Bei Projekten beginnt dies bereits bei der Formulierung des Ziels, welches bei virtuellen Teams besonders klar herausgearbeitet werden muss. Ebenso muss klar sein, welche Plattformen für die virtuelle Kollaboration und Kommunikation genutzt werden sollen.
Weiterhin gilt es für Führungskräfte, fortlaufend mit den Mitarbeitern der virtuellen Teams in Kontakt zu bleiben. Möglichkeiten wie virtuelle Team-Meetings oder Videokonferenzen sind hierbei jedoch nicht ausreichend. Auch persönliche Einzelgespräche sollten regelmäßig stattfinden, um sich über aktuelle Entwicklungen auszutauschen und die Beziehung zu stärken.
Die Informationstransparenz ist ebenfalls ein entscheidendes Erfolgskriterium für virtuelle Teams. Alle für ein Projekt relevanten Daten sollten für sämtliche Teammitglieder frei verfügbar sein – im Optimalfall direkt nach ihrer Entstehung. Hierdurch haben Teams die Möglichkeit, Unstimmigkeiten von Beginn an zu vermeiden und Fehler zu reduzieren. Am besten wird das Wissen virtueller Teams nicht über endlose E-Mail-Ketten verteilt, sondern in einem zentralen Informationspool bereitgestellt. Zunehmend werden zu diesem Zweck beispielsweise (cloudbasierte) Projektmanagement- und Collaboration-Tools eingesetzt.
Neue Organisationsformen sollten zeitnah implementiert werden
Noch existieren zahlreiche Unternehmen, die mit alten Strukturen und traditionellen Hierarchien erfolgreich am Markt tätig sind. Doch diese Art der Organisation bröckelt und wird auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein. Denn längst implementiert die Konkurrenz neue Organisationsformen, mit denen sie umgehend auf Trends reagieren und Innovationen schneller hervorbringen kann. Empfehlenswert ist es daher, die neuen Formen der Führung und Zusammenarbeit jetzt schrittweise zu erlernen und in die Organisation einzubringen. Bei Bedarf können externe Spezialisten diesen Prozess der Veränderung begleiten, um Sicherheit zu schaffen.