AQL-Kontrolle-Was gibt es zu beachten

 In Prozessoptimierung

Es ist nicht wichtig ob in einem Unternehmen schon eine AQL-Kontrolle vorhanden ist, oder ob eine neu aufgebaut werden soll. Es ist grundsätzlich notwendig die grundlegenden Bedingungen und Vorgaben im Vorfeld genau zu prüfen. Dies auch dann, wenn schon eine lange Zeit die AQL-Kontrolle erfolgreich durchgeführt wird. In diesem Artikel werden die wichtigsten Grundlagen besprochen.

Sollvorgaben und Toleranzen

In der Bekleidungsindustrie wird die AQL-Kontrolle zur Prüfung erheblich unterschiedlicher Produkte eingesetzt. Deswegen ist im Vorfeld einer neuen Einführung, sowie auch in der Überprüfung bestehender Organisationen ein wichtiger Fokus auf die Sollvorgaben und Toleranzen zu setzen. Ohne Soll gibt es auch keine Abweichung.

Oft stellt man bei der Kontrolle der Prüforganisation fest, dass die Sollvorgaben vor Jahren erstellt wurden und die Verantwortlichen diese nicht anpassen wollen, weil ansonsten die Qualität der Ware verändert würde. Das wird bei gezielter und auch fachlich fundierter Vorgehensweise nicht der Fall.

Wenn sich die Produkte deutlich in ihren Eigenschaften ändern, dann sind alte Sollvorgaben nicht mehr passend. Eine typische Folge von nicht mehr passenden Vorgaben ist die fachliche Anpassung der Vorgaben durch die Prüfer bei der Prüfung. Die Qualität hängt dann von persönlichen oder sogar von situativen Einflüssen ab und die Ergebnisse sind nicht mehr vergleichbar.

Es ist also zu empfehlen die Sollvorgaben für die Prüfungen jährlich zu überprüfen und im Unternehmen zwischen Beschaffung, Technik und Vertrieb abzustimmen. Der Vertrieb ist hierbei ganz wichtig, denn es sollen ja die Wünsche des Kunden getroffen werden und nicht die einzelnen Mitarbeiter und Verantwortlichen in der Beschaffung. Maximalforderungen von Technikern oder auch Vertriebsleuten sollten vermieden werden. Diese machen das Produkt teuer und der Kunde kann den angeblichen Vorteil nicht erkennen, oder er tritt so spät und verschlüsselt auf, das der Kunden diesen gar nicht dem Produkt und somit dem Hersteller zuschreibt.

Zugegebenermaßen ist dies ein Spannungsfeld. Unternehmen die es schaffen diese Vorgaben in der Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche zu erarbeiten, verschaffen sich Jahr um Jahr einen kaufmännischen Vorteil.

In der Praxis des täglichen Handeln ist es schwierig die Schäden zu erkennen, die durch straffe und teilweise auch falsche Vorgaben entstehen. An der Auswertung dieser Qualitätskosten sind viele gescheitert, weil die Aufnahme der Daten schwierig ist.

Bei allen notwendigen Anpassungen sollte man die Auswertbarkeit der statistischen Daten nicht übersehen. Wenn Sollwerte leicht angepasst werden, stellt dies keine statistisch relevante Größe dar. Wenn aber die Werte ganz wegfallen oder neue Werte dazu genommen werden, sollte man die Statistiken dann ab diesem Zeitpunkt neu starten. Ansonsten werden Ergebnisse verfälscht.

Fehlergruppen, Definitionen und deren Wichtung

Die Definition von Fehlergruppen gehört nicht zur AQL, kann diese aber in den Grundmauern erschüttern, wenn sie nicht oder rudimentär vorhanden ist.

Diese sind wichtig, da in bei der Bewertung eines Prüfteils nicht nur eine Eigenschaft (z.B. Hüftweite) zur Kontrolle anstehen, sondern viele verschiedene.

Fehlergruppen die einfach und verständlich definiert sind, helfen dem Prüfer schnell und auch richtig zu entscheiden. Das ist ein Zeit- und Kostenfaktor. Sie sollten einfach beschrieben sein und dürfen auch nicht zu vielfältig werden. An dieser Stelle hilft, wenn man Fehlerarten zusammenfasst und nicht zu viele Unterscheidungen vornimmt.

Zu jeder Fehlergruppe gehören Beschreibungen und Wichtungen. Nicht jeder vermeidliche Fehler die ein Fachmann sieht, ist auch ein Fehler im Sinne des Kunden. Auch das gehört in die Diskussion mit dem Vertrieb.

Daher sollte die Ausprägung eines Fehlers in einer Wichtung bewertet werden. Ein kleiner schwarzer Fleck in einem schwarz – weißen Druckdesign ist technisch gesehen ein Fehler, doch für den Kunden nicht zu sehen. Ist der Fleck andersfarbig, dann wird er zum Fehler für den Kunden.

Hier wird deutlich wie wichtig es ist Fehler in Fehlergruppen zusammenzufassen und diese auch mit Bildern in ihrer für die Prüfung wichtigen Relevanz zu beschreiben.

Daraus folgend ist eine grundlegende Arbeit, die Fehlerarten zu definieren und zu beschreiben. Später braucht man nur noch neue Dinge zu ergänzen. Dabei aber bitte beachten, dass ein Mensch es kaum schafft mehr als 50 Fehlerarten im Kopf zu halten. Wer mehr Fehler sein Eigen nennt, der sollte über die Zusammenfassung von Fehlerarten erneut nachdenken.

AQL-Kontrolle mit kleinen und große Partien

Bei der Festlegung der AQL Bedingungen wird gerne übersehen, ab wann überhaupt Partien laut einer AQL Tabelle sinnvoll geprüft werden können. So ist in jedem Fall die Mindestmenge die durchschnittliche Partiegröße und die maximale Partiegröße zu beachten. Dies wird in vielen Unternehmen zu unrealistisch angenommen.

Daher müssen die Mengen analysiert werden. Nach der Analyse erfolgt die Festlegung bis zu welcher Menge es sinnvoll ist eine Vollkontrolle durchzuführen. Das kann bis zu einer Menge von 90 Teilen richtig sein. Diese Partien spielen dann in der Festlegung der Prüfschärfe und des Prüfniveaus keine Rolle mehr und dürfen auch nicht in der Statistik auftreten.

Bei größeren Mengen wird dann eine AQL-Kontrolle durchgeführt und das Prüfniveau und die Prüfschärfe werden bestimmt.

Richtiges Prüfniveau und – schärfe ist richtig?

Welches Prüfniveau und welche Prüfschärfe für ein Produkt oder ein Unternehmen richtig ist,hängt von der aktuellen Lieferqualität ab. Je größer das Prüfniveau ist, desto genauer kann die Fehlleistung erkannt werden. Ist ein Produzent also sehr schlecht (Erfahrung), dann ist ein hohes Niveau anzusetzen.

Die Prüfschärfe bestimmt die Anzahl der Teile die in der Prüfmenge als NIO bewertet werden dürfen, ohne das die Partie abgelehnt werden muss. Es gibt hier viele verschiedene Möglichkeiten die beiden Werte zu kombinieren. Fachlich hängt diese Festlegung aber von vielen internen Bedingungen ab. Hier ein paar dieser Themen:

  • Im welchen Stadium des Workflows ist die AQL-Kontrolle eingegliedert?
  • Welche unterschiedlichen Leistungsstände haben die Produzenten?
  • Welche Mengen werden im Laufe eines Jahr geprüft?
  • Wie sieht der Zeitrahmen für die Prüfung aus?
  • ……

Diese Fragen müssen gesamtheitlich in individuellen Abstimmungen geklärt werden. Oft kann man die Produzenten mit einbeziehen oder man geht über Prüffirmen die vor Ort die Prüfungen im Auftrag durchführen. Es gibt in diesen Unternehmen genügend Erfahrung die man zur Entscheidung mit heranziehen kann.

Wer also die „richtige“ Festlegung ermitteln will, muss im Laufe der Zeit Erfahrungen sammeln oder sich externe Erfahrungen zur Hilfe holen.

Fehler in diesem Bereich führen meistenteils zu erhöhten Kosten und zu deutlichen Zeitverzögerungen.

AQL-Kontrolle NIO – Doch nur ein Fehler mehr

Gern genommen und praktiziert, „da ist doch nur ein Teil (Fehler) zu viel!“ ,“Wegen einem Teil kann ich doch nicht 1200 Teile zurückschicken?!“

Eine große Gefahr der AQL-Kontrolle ist die genau dieses Art der Bewertung. Da ja statistisch gesichert nur wenige 2. Wahl Teile in einer Partie ausreichen diese als „abgelehnt zu bewerten, wird bei vielen Firmen zu viel über Fehler diskutiert, weniger über die Auswirkung des Ergebnisses.

Oft wird versucht Fehler weg-zu-diskutieren, damit die Annahmezahl erreicht wird. Dies wird durch die genaue Beschreibung von Fehlerarten und Fehlergruppen mit ihren Wichtungen reduziert. Die in diesen Fällen gerne zitierten Grau-Zonen gehen verloren

Es gibt nur eine Ausnahme, ein Prüfer hat ein oder mehrere Teile wirklich falsch bewertet. Aber Achtung, in 98% der Fälle ist die zweite nachträgliche Bewertung falsch und nicht die des Prüfers. Die Erfahrung zeigt, wenn es schon an den Rand der maximalen Fehler (2. Wahl) Grenze kommt, dann ist die Ware auch wirklich nicht gut. Daher bitte nur einmal bewerten, ansonsten stimmt das Ergebnis nicht mehr.

Wichtig ist es den Entscheidungsträgern im Unternehmen die statistischen Auswirkungen deutlich zu machen. Wenn zum Beispiel bei einer AQL 4.0 im Prüfniveau II die bei 80 Prüfteilen von 7 auf 8 geht, steigert sich der zu erwartenden 2 Wahl Anteil im gesamten Lot von ca. 6,8 % auf ca. 7,25 %. Dies sind die Mittelwerte einer Gauschen-Normalverteilung. Die Streuung liegt im ersten Fall von 3,6 % – 17,3% und bei 8 Teilen von 4,4% bis 18,9%. Werte die wohl keiner an den Kunden geben will.

Diskutieren bis der Arzt kommt

In Unternehmen wird gerne über die Prüfergebnisse einer AQL-Kontrolle diskutiert. Dann wird jeder Fehler in seiner Wertung und Wichtung überprüft. Es muss ja einen Grund geben die Partie „durchzuwinken“. Dieses Fehlverhalten muss dringend abgeschafft werden. Wird dieses Verhalten abgelegt, dann ist der Weg für die kontinuierliche Verbesserung der Lieferungen frei.

Ist einmal die AQL-Kontrolle in ihren Grundsätzen im Unternehmen akzeptiert, dann wird der Fokus auf die Beseitigung der Ursache gelenkt. Der erste Schritt zur Verbesserung der Lage.

Die Beseitigung der Ursache ist und bleibt die Aufgabe der Beschaffung und des Produzenten. An dieser Stelle ist fast jede eingesetzte Arbeitszeit purer Gewinn.

Trotzdem wird es eine sogenannte „kaufmännische Entscheidung“ geben, die es ermöglicht den Kunden zu bedienen. Eine derartige Entscheidung muss der Produzent aber verstehen und er darf diese nicht mit einer qualitativen Akzeptanz verbinden.

Der größte Teil aller Ablehnungen bei der AQL-Kontrolle soll zu einer Retour und somit Verbesserung der Ware führen. Dann agiert der Produzent, er muss investieren und das macht er nur, wenn es sich für ihn kaufmännisch lohnt und auch nachvollziehbar ist.

Es ist eine kontinuierliche Führungsaufgabe den Mitarbeitern deutlich zu machen, das eine AQL-Kontrolle, die richtige und saubere Grundlagen hat, nicht diskutiert werden kann und darf. Ob dann eine Partie im Sinne des Unternehmens als „lieferbar“oder „nicht lieferbar“gewertet wird, steht dann auf einem anderen Blatt.

Ich finde ja noch immer 2. Wahl?!

Ja, das ist so! Wer keine 2. Wahl in seinem Lager mehr finden will, der macht besser eine konsequente Vollkontrolle. Die AQL ist eine statistische Methode und kann nicht alle 2. Wahl Teile in einem Lot finden.

Es wird in der AQL genau beschrieben, wieviel 2. Wahl zu erwarten ist. Wer dies deutlich reduzieren will, muss die Kriterien schärfer machen. Das führt meistenteils aber zu erhöhten Kosten und zu einem größeren Zeitaufwand.

In der Bekleidungsindustrie hat man es mit vielen Parametern zu tun und nicht nur bei einem. So ist die Prüfung eines OP Handschuh bei einer zerstörenden Prüfung (Festigkeit) genauer als bei einem Teil mit 10 – 15 Fehlerpotentialen.

Die Chance einen Fehler zu finden ist eben 15 mal höher. Dadurch kann man die AQL Kriterien nicht ganz scharf einstellen. Ansonsten wird keine Ware mehr die Prüfung passieren.

Eins zur Beruhigung, wer mit Hilfe der AQL seine Eingangsqualität konsequent kontrolliert und auch so handelt, wird im Laufe der Zeit eine deutlich bessere Qualität im Lager haben.

Ich messe mich gerne selber!

Gerade in mittelständigen Firmen sind die Zuständigkeiten zwischen Verantwortung für die Produktion und für die Prüfung selten geteilt. Dann misst die Beschaffung die Eingangsqualität selber und es kommt zu Interessensüberschreitungen. Das muss kein Problem sein, kann aber. Es hängt vom Verantwortungsträger ab. Es ist immer zu empfehlen unterhalb des Verantwortlichen die Zuständigkeit für Prüfung und für die Produktion zu trennen. Damit schafft man eine saubere Linie und den notwendigen Rahmen für notwendige Diskussion. Die verantwortlichen Personen müssen dabei in der Lage sein, die Diskussion auf Basis von Fakten zu führen, damit es nicht in eine Kompetenzstreiterei übergeht.

„Das Boot ohne Antrieb“ oder „Schon wieder eine lästige Entscheidung“

Ein deutliches Zeichen das etwas in der gesamten Beschaffungsstrategie nicht stimmt, ist der kontinuierliche Druck jeden Tag erneut Qualitätsentscheidungen zu treffen.

Auch wenn es nicht gerade positiv ist, wer jeden Tag neu entscheiden muss, der macht etwas falsch!

Wenn man genau analysiert, dann wird der Fehler schnell deutlich. Entweder liegt es an den oben beschriebenen Grundlagen oder am Umgang mit den AQL Ergebnissen. Es ist „NIE“ die AQL-Methode!

Nur mit konsequenter Vorgehensweise spart man langfristig Zeit und Geld. Dann wird sich die Qualitätsleistung des Produzenten verbessern.

Wer nicht von der AQL Methode überzeugt ist, der muss sich mit dieser näher beschäftigen oder diese Methode eben nicht anwenden. Halbherzig und alleingelassen funktioniert hier nichts. Eingriffe, weil das Ergebnis gerade nicht passt, macht eine positive Entwicklung unmöglich.

Man kann nur empfehlen die Dinge vernünftig miteinander aufzubauen. Ggf. muss man auch im ersten Schritt entscheiden, die Prüfung nicht so scharf zu formulieren um einer Entwicklung auch einen Anfang zu ermöglichen.

Dafür muss der Mut vorhanden sein, seine heutige Anlieferqualität realistisch zu bewerten und nicht in Muster der Verurteilung zu verfallen. Nicht in die Vergangenheit zu blicken („Warum haben wir das zugelassen?“) sondern die Chancen zu erkennen. Es ist schon notwendig den Mut zu haben, einen langen und hohen Berg zu besteigen. Wie hoch der Berg ist, hängt immer vom Ausgangspunkt ab.

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